Die Belastungen pflegender Angehöriger sind enorm
Die pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz sind den vielfältigsten Belastungen ausgesetzt. Im Folgenden unterscheiden wir dabei vier verschiedene Belastungen:

physische Belastungen

psychische Belastungen

soziale Belastungen

materielle Belastungen
Physische Belastungen
Als Pflegekraft wissen Sie, dass Pflege körperlich anstrengend sein kann.
Neben diesen Faktoren kann auch die Auseinandersetzung um Hilfen und pflegerische Tätigkeiten mit dem Erkrankten körperlich sehr aufreibend sein. Der demenzerkrankte Mann, der nicht einsieht, dass er beim Duschen Hilfe braucht, und diese immer wieder ablehnt und die Angehörigen aus dem Badezimmer hinauswirft, oder die demenzkranke Frau, die sich unter keinen Umständen von ihrem Ehemann die Einlagen wechseln lassen will und ihn wütend anschreit und wegschubst. Beispiele gibt es genügend.
Psychische Belastungen
Die psychischen Belastungen für pflegende Angehörige sind enorm. Nicht zuletzt aufgrund dieser Belastungen hat sich in den letzten Jahrzehnten der Ansatz der psychosozialen Beratung und Begleitung für pflegende Angehörige eines Menschen mit Demenz entwickelt. Die Beratung von Angehörigen wird auch vielfach als „Angehörigenarbeit“ bezeichnet.
Die schwierigsten psychischen oder emotionalen Belastungen lassen sich mit den 3 Begriffen Unsicherheit, Trauer und Schuldgefühle umreißen.
Ein Gefühl der Unsicherheit
Zunächst einmal sind pflegende Angehörige Laien. Sie haben weder Pflege und Betreuung gelernt, noch haben sie in aller Regel viel Wissen um eine Demenzerkrankung und deren Verlauf. Insofern kommt den Unsicherheiten im Umgang mit den Erkrankten und insbesondere mit schwierigen Verhaltensweisen immer wieder eine große Bedeutung zu. Der Bedarf an Informationen, Beratung und Gesprächsangeboten ist entsprechend groß.
Ein weiterer Aspekt für die Unsicherheit ist die Angst und Besorgnis vor dem, was noch kommt, wie der weitere Verlauf der Demenzerkrankung sein wird und ob man mit diesen immer wieder neu auftretenden Situationen zurechtkommt. Viele Angehörige setzen sich immer wieder neue Grenzen.
„Ich pflege ihn zu Hause, solange es mit den Toilettengängen noch einigermaßen klappt“ oder „Solange sie mich noch erkennt, kann ich es aushalten, sie zu Hause zu behalten“ sind typische Aussagen von Angehörigen.
Viele empfinden eine große Unsicherheit vor dem, was noch kommen mag.
Angst vor der eigenen Erkrankung
Gleichzeitig haben viele Angehörige Angst, selbst zu erkranken, Angst vor der totalen Erschöpfung.
„Was wird denn aus ihr, wenn ich nicht mehr kann?“, lautet hier oft die Frage.
Wir erleben es immer wieder, dass Angehörige eigene Arztbesuche nicht mehr wahrnehmen. Und das durchaus nicht immer aus Zeitmangel – obwohl auch der Faktor „Zeit“ eine Rolle spielt, sondern eher aus Angst davor, dass der Hausarzt sagen könnte:
„So geht es nicht mehr weiter, Sie müssen jetzt auch an sich denken!“, oder: „Ich schicke Sie jetzt in die Klinik, Ihre Hüfte muss operiert werden.“
Die in aller Regel recht starke Fixierung eines Menschen mit Demenz auf die Hauptpflegeperson löst in den Angehörigen dann oftmals die große Besorgnis aus:
„Wie soll das nur gehen, wenn ich nicht da bin?“, oder: „Kann ich ihr eine
Kurzzeitpflege überhaupt zumuten?“
Sie erleben die Abwehr des Erkrankten vor Neuem und vor fremden Menschen, die Angst vor der Trennung von der Hauptpflegeperson. Dies verunsichert die Angehörigen und verhindert damit vielfach, dass Hilfsangebote wahrgenommen werden.
Trauer, Enttäuschung und Verlust
Bei Demenzerkrankungen ist in der Regel nicht nur eine Person betroffen, sondern auch die Angehörigen. Insofern löst die Demenz bei einem geliebten Menschen, dem Lebenspartner oder einem Elternteil immer auch Trauer aus. Wenn ein Mensch an Demenz erkrankt, verändert sich zugleich das ganze Leben. Wie oft hören wir von Menschen, die in den Ruhestand gehen, welche Pläne sie jetzt noch haben. Was für Pläne haben Sie, wenn Sie an diesen Lebensabschnitt denken? Reisen, neue Hobbys aufnehmen, alte wiederaufleben lassen, Kurse an der Volkshochschule besuchen, endlich mal ganz regelmäßig ins Theater und in Konzerte gehen? Wenn dann die Diagnose „Demenz“ für den Ehepartner gestellt wird, bedeutet es vielfach, Abschied zu nehmen von den Lebensplanungen, die die Ehepartner noch gemeinsam hatten. Zumindest muss die Lebensplanung verändert werden. So löst auch die Perspektive, dass die Erkrankung weiter voranschreiten wird, dass immer weniger vom Lebensplan umgesetzt werden kann, Trauer aus.
Anhaltender Abschied
Trauer empfinden Angehörige ebenso, wenn sie sich wegen der Krankheit „Demenz“ über einen langen Zeitraum hinweg Stück für Stück von der Person verabschieden müssen, die der Erkrankte früher einmal war. Immer wieder aufs Neue stellen pflegende Angehörige fest, dass wieder etwas aus der gemeinsamen Geschichte in der Erinnerung des Erkrankten verloren gegangen ist. Dass wieder eine Fähigkeit unwiederbringlich ausgelöscht ist. Dass der Partner immer weiter entschwindet.
Krankheitsbedingte Verhaltensänderungen
Für Trauer und Enttäuschung sorgt auch die Persönlichkeitsveränderung des Erkrankten. Die Demenz führt in aller Regel dazu, dass die Erkrankten ihre Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, mehr und mehr verlieren. Aber gerade diese Fähigkeit, sich wechselweise in den anderen hineinzuversetzen, macht eine soziale Beziehung aus. Die Welt des Erkrankten wird immer kleiner und dreht sich letztlich nur noch um die eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Für die Angehörigen bedeutet dies Enttäuschung. Enttäuschung über den Egoismus des Erkrankten, über seine Ansprüche und Forderungen nach ständiger Anwesenheit und Verfügbarkeit.
Schuldgefühle stellen sich ein
Pflegende Angehörige sind rund um die Uhr im Einsatz und haben trotzdem das Gefühl, dass das, was sie leisten, nicht ausreicht. Vielleicht wissen Sie es selbst und haben es auch schon erfahren, wie schwer es Angehörigen zuweilen fällt, Hilfe anzunehmen und Entlastungen zuzulassen. Für einen Teil der pflegenden Angehörigen ist das An-sich-selbst-Denken gleichbedeutend mit Egoistisch-Sein. Obwohl dies – von außen betrachtet – nicht falsch, sondern zuweilen sogar notwendig ist, gibt es eine beträchtliche Zahl von Pflegenden, die genau dies nicht gut können. Sie haben Schuldgefühle, wenn sie an sich denken. Selbst wenn ihre Kräfte langsam schwinden, vermittelt ihnen ihre Wahrnehmung, keine Kraft mehr zu haben, nicht mehr zu können, Schuldgefühle. Ebenso können Schuldgefühle entstehen, wenn Hilfen ins Haus geholt werden, die der Erkrankte zunächst vehement ablehnt (er will nicht, dass „fremde Menschen kommen“). Erst recht können Schuldgefühle entstehen, wenn die Erkrankten ganz in fremde Betreuung gegeben werden müssen, in eine stationäre Einrichtung beispielsweise. Mit dem Zulassen dieser Hilfen kann das Gefühl entstehen, versagt und nicht genug geleistet zu haben.
Veränderte Rollenverteilung innerhalb der Familie
Einen geliebten Menschen mit einer Demenz zu begleiten bedeutet neben vielem anderen auch, dass eine andere Rolle im Familiengefüge eingenommen werden muss. Auf einmal müssen dem Ehepartner, der immer gut für die Familie gesorgt und die Finanzen im Blick gehabt hat, die Bankgeschäfte entzogen werden. Oder dem Vater, mit dem die Familie in früheren Jahren tausende von Kilometern in den Urlaub gefahren ist, müssen zu seiner Sicherheit die Autoschlüssel abgenommen werden. Beispiele lassen sich viele finden. All diesen Situationen ist gemeinsam, dass die Angehörigen plötzlich eine andere Rolle einnehmen. Dies vollzieht sich manchmal nicht ohne Konflikte und kann deswegen viele Schuldgefühle auslösen.
Negative Gefühle
Natürlich gehen mit der Pflege eines an Demenz erkrankten Menschen auch Gefühle von Wut, Ohnmacht oder Hilflosigkeit einher – ausgelöst durch veränderte Rollen, durch den Egoismus des Erkrankten, durch Nichtverstehen der Krankheit oder auch durch die Wechselhaftigkeit der Symptome. Dass in belastenden Situationen solche Gefühle auftreten, ist durchaus normal. Leider können sie aber auch zu vermehrten Schuldgefühlen auf Seiten der Angehörigen führen. Und zwar dann, wenn diese sich nicht zugestehen können, dass das Auftreten von Ohnmacht und Verzweiflung kein Scheitern bedeutet, sondern ein Hinweis darauf ist, dass sie mehr Entlastung benötigen. Auch Gedanken an eine Beendigung der Pflege, wie sie – insbesondere bei Fortschreiten der Erkrankung – auftreten können, sind durchaus normal, können aber auch zu vermehrten Schuldgefühlen führen.
Soziale Belastungen
Durch die bei vielen Demenzerkrankten noch relativ lang bestehende Fassade von Normalität erleben die Angehörigen permanent Situationen, in denen Außenstehende, manchmal sogar auch entferntere Familienangehörige, ein großes Ausmaß an Unverständnis äußern. Wie oft hören sie Sätze wie: „Ich weiß gar nicht, was du da immer erzählst, auf mich machte deine Mutter gestern einen guten Eindruck. Wir haben uns sogar ganz nett unterhalten können.“ Für die Angehörigen, die tagtäglich mit wechselhaftem verwirrten und desorientierten Verhalten auf Seiten der Erkrankten zu kämpfen haben, klingen solche Aussagen wie Hohn. Insofern verspüren sie oftmals eine fehlende Anerkennung und Unterstützung für ihre Tätigkeit.
Vereinsamung in der Beziehung
Insbesondere die Ehe- und Lebenspartner von demenzerkrankten Menschen erleiden manchmal fast so etwas wie einen sozialen Tod. Mit Fortschreiten der Demenz geht ihnen der Gesprächs- und Lebenspartner immer mehr verloren, sie werden immer einsamer in der Beziehung.
Isolation des pflegenden Angehörigen
Durch die zeitaufwendige Betreuung und Pflege klagen die Angehörigen über zu wenig Freizeit und abnehmende Sozialkontakte. Hobbys und lieb gewonnene Aktivitäten leiden und werden unter Umständen ganz aufgegeben.
Doppel- oder Dreifachbelastung
Töchter und Schwiegertöchter leiden häufig unter Doppel- oder auch Dreifachbelastungen: Pflege der Eltern, eigene Berufstätigkeit und die eigene Familie. Die daraus resultierenden Konflikte im sozialen Umfeld sind dann vorprogrammiert.
Materielle Belastungen
Untersuchungen zeigen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der pflegenden Angehörigen für die Pflege und Betreuung der Eltern oder Schwiegereltern oder auch der Ehe- und Lebenspartner Veränderungen in ihrer Berufstätigkeit vornimmt.

Mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, das am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist, wurden die bestehenden Regelungen im Pflegezeit- und im Familienpflegezeitgesetz miteinander verzahnt, weiterentwickelt und verbessert.
Auf der Internetseite www.wege-zur-pflege.de können Sie wichtige Informationen dazu abrufen.
Finanzielle Belastungen
Darüber hinaus stehen finanzielle Belastungen für Veränderungen im räumlichen Umfeld an, für Umbaumaßnahmen (z. B. Haltegriff e im Bad oder Handläufe im Treppenhaus etc.) oder für Sicherheitsmaßnahmen (z. B. in der Küche automatische Herdabschaltung, Ortungssystem für sehr aktive Demenzerkrankte etc.).