Lektion 6: Kurzfristige Effekte und langfristige Folgen
Im Grunde wirkt die Belastung auf den Menschen ein und die individuellen Reaktionen entscheiden, wie groß die Beanspruchung dieser Person ausfällt. Es geht hier um das eigene Erleben des Menschen in einer Situation, also um die Wahrnehmung. Dabei ist die ausgelöste kurzfristige Beanspruchung immer abhängig von dem, was der Einzelne situationsbedingt empfindet.
Aber die Beanspruchung ist nicht nur beeinflusst durch die individuellen Voraussetzungen. Auch die Intensität und Dauer der psychischen Belastung spielen natürlich eine Rolle.
Beanspruchungen können also, wie schon erwähnt, positive und negative Effekte haben.
1a. Beginnen wir mit den negativen kurzfristigen Auswirkungen:
1. Ermüdung
Kurzfristige Beeinträchtigung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit. Je nach Ausprägung der Beanspruchung kann diese unterschiedlich intensiv ausfallen. Dadurch steigt nicht nur die Gefahr von Fehlern und damit von Verletzungen (hier ist eine Schnittstelle zum Gesundheitsschaden-Modell aus Modul 2). Auch Prozesse dauern länger, wichtige Infos werden direkt wieder vergessen etc.
Tipp: Um sich von der psychischen Ermüdung zu erholen, ist es sinnvoll, die Arbeit kurz zu unterbrechen: Eine Reduzierung oder Anpassung ist nur langfristig wirksam.
2. Monotonie & andere ermüdungsähnliche Zustände
Das sind Zustände, die häufig auftreten, wenn eine Arbeit wenig Abwechslung bietet. Es ist ein langsam entstehender Zustand herabgesetzter Aktivierung: Man wird träge und die Leistung nimmt ab. Hier kann ein Wechsel zu einer abwechslungsreicheren Arbeit kurzfristig helfen.
Sonderfall: Herabgesetzte Wachsamkeit
Das kommt gerade bei eintönigen abwechslungsarmen Beobachtungstätigkeiten vor. Monotonie und herabgesetzte Wachsamkeit unterscheiden sich nur in der Entstehung. Die Auswirkungen sind aber dieselben.
3. Psychische Sättigung
Hier hat man sprichwörtlich „die Schnauze voll“: Man wird nervös, es entsteht Unruhe und man hat keine Lust mehr (lehnt die Arbeit sogar ab). Das kommt häufig bei sich wiederholenden oder unbefriedigenden Tätigkeiten vor. Außerdem kann es zu Ermüdung, Leistungsabfall oder sogar zum Abbrechen der Tätigkeit kommen.
4. Stress
Das kennen wir alle: Man empfindet eine solche Situation als wichtig, aber auch als belastend oder sogar bedrohlich. Er entsteht meistens dann, wenn eine Person selbst einschätzt, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein und sie nicht bewältigen zu können.
Dadurch entwickelt sich eine erhöhte Reizbarkeit, es kann zu Angstzuständen kommen oder hohem Blutdruck. Körperliche Erscheinungen sind oft nervöse Magenschmerzen. Auch die Häufigkeit von Fehlern steigt.
1b. Und wie sieht es mit den langfristigen negativen Folgen aus?
Auf lange Sicht können negative Auswirkungen zu negativen Folgen werden:
- Allgemeine psychosomatische Störungen und Erkrankungen (u. a. Verdauungsprobleme, Herzbeschwerden, Kopfschmerzen)
- Fehlzeiten, Fluktuation, Frühverrentung
- Gefühl von ausgebrannt sein (Burnout)
- Erhöhtes Herzinfarktrisiko (z. B. durch Stress)
2a. Positive kurzfristige Auswirkungen
Aber es gibt auch bei dem richtigen Maß der Beanspruchung diese positiven Effekte:
1. Aufwärmung
Das ist eine häufige und wünschenswerte Reaktion auf eine psychische Beanspruchung. Im Volksmund würde man sagen: „Es läuft“. Man hat von Anfang an ein gutes Gefühl und die Arbeit geht leicht von der Hand.
2. Aktivierung
Das ist eine häufige und wünschenswerte Reaktion auf eine psychische Beanspruchung. Im Volksmund würde man sagen: „Es läuft“. Man hat von Anfang an ein gutes Gefühl und die Arbeit geht leicht von der Hand.
Die beste Form ist der sogenannte Flow. Das ist die Zone der optimalen, d. h. weder der zu geringen noch zu hohen Aktivierung. Dadurch befindet man sich im Optimalbereich seiner Leistungsfähigkeit.
Achtung: Durch Peaks in der Beanspruchung kann es zu einer Überaktivierung kommen!
2b. Und wie sieht es hier mit den langfristigen positiven Folgen aus?
Über einen längeren Zeitraum können positive Auswirkungen auch langfristige positive Folgen haben:
- Übung – man wird in seinem Job immer besser und optimiert seine fachlichen Fähigkeiten
- Weiterentwicklung körperlicher und geistiger Fähigkeiten (außerfachliche Fähigkeiten)
- Wohlbefinden wird gesteigert
- Optimale Voraussetzungen für Gesunderhaltung
Aufgabe 3.6
Wie ist die „Diagnose“?
Gehe nun durch deine Notizen der vorherigen Aufgabe 2.5. Dort hast du kurz- und langfristige Auswirkungen notiert. Werte sie aus. Erkennst du, welche Folgen es gibt? Wenn ja, welche?
Nutze dazu die Vorlage und trage die beobachteten Auswirkungen in die jeweilige Beanspruchungskategorie ein.
Neben dem direkten Zusammenspiel von Belastung und Beanspruchung kann es auch sekundäre Auswirkungen geben. Die Beziehungen untereinander erkennst du im folgenden Bild:

Ermüdung kann nämlich auch als eine Abnahme der Eigenschaften interpretiert werden. Diese ist zwar reversibel, aber das macht klar, dass die Belastung nicht ausschließlich durch die Fähigkeiten aufgefangen bzw. ausgeglichen werden, sondern sich auch auf diese auswirken kann.
Insgesamt bedeutet das, dass eine vorhandene Belastung zur Veränderung von Eigenschaften führen kann. Auch wenn die Belastung konstant bleibt, kann eine Veränderung von Eigenschaften zur Veränderung der Beanspruchung führen. Veränderungen der Beanspruchung können sich damit auch auf die Belastung auswirken.
Es gibt zu dem Modell auch eine erweiterte Sichtweise, die Beziehungen zwischen Belastung und Beanspruchung, aber auch zum Arbeitsergebnis berücksichtigt.
Denn gerade das Arbeitsergebnis (als „Folge“ der Beanspruchung) hat einen Einfluss auf die Person selbst, und zwar positiv oder negativ. Dies wird Rückkopplung genannt.
Den Kreislauf und Rückkopplungseffekt des Belastungs-Beanspruchungs-Modells zeigen wir dir nochmal genauer in folgendem Erklärvideo:
Vorsicht!
Fehlbeanspruchungen äußern sich als psychische Ermüdung, Monotonie bzw. psychische Sättigung. Eine leichte Überforderung des Menschen kann unter den richtigen Bedingungen die Entwicklung fördern. Es entstehen Übungseffekte, die Handlungsbereitschaft wird gefördert und der Mitarbeiter ist zufrieden. Prominente sehr hohe bzw. zu hohe Anforderungen können aber im Gegenzug zur Überforderung führen.
Abschließend fasst diese Grafik zusammen, dass eine leichte Unterforderung unbedenklich ist. Eine richtige Über- bzw. Unterforderung entsteht erst dann, wenn eine zumutbare Diskrepanz zwischen Anforderungen und Voraussetzungen überschritten wird.