Lektion 8: Die Unfallanalyse
Wie in Unterkapitel 2.5 erklärt, kannst du die Unfallanalyse nutzen, um nicht vorhersehbaren Bedingungen zu nun vorhersehbaren Bedingungen abzuleiten.
Auch die Unfallanalyse sollte natürlich strukturiert umgesetzt werden. Dafür gibt es zahlreiche Methoden und Ansätze, die je nach Einsatzgebiet mehr oder weniger praktikabel sind.
Wir haben hier eine Herangehensweise für dich herausgesucht, die sich in der Praxis bewährt hat, und stellen sie dir nachfolgend vor. Diese strukturierte Analyse ist von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) im Rahmen eines Projektes erstellt worden. Sie ist eigentlich vor allem für die Anwendung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) besonders interessant, aber auch große Betriebe können davon profitieren.
Generell sollte die Unfallanalyse in 3 Schritten getrennt voneinander durchgeführt werden. Dadurch hast du den Fokus immer 100 % auf einem Vorgang.
Schau dir die Karten an, um zu erfahren, welche Aufgaben die einzelnen Schritte beinhalten.
1. Informationssammlung
- Inaugenscheinnahme
- Faktensammlung
- Dokumentenanalyse
- Gespräche mit Beteiligten
2. Beschreibung des Unfallgeschehens
- Tabellarische Abläufe
- Ereignisbausteine (Dispo)
3. Ursachensuche
- Warum-Fragen
- Faktorenfragen
Bei dieser Analyse spielen Gespräche mit Zeugen und Beteiligten eine entscheidende Rolle. Dabei ist das korrekte Vorgehen, Feingefühl und aktives Zuhören sehr wichtig.
TIPP: Bei solchen Gesprächen ist der generelle Umgang mit Fehlern von zentraler Bedeutung. Aus eigener Erfahrung laufen solche „Ermittlungen“ besser, wenn du deinem Gegenüber glaubhaft deutlich machst, dass es nur darum geht, aus dem Geschehen zu lernen und nicht einen Schuldigen zu finden. Das ist je nachdem wie gut die Fehlerkultur im Unternehmen ist, mehr oder weniger einfach umzusetzen. Entscheidend ist natürlich, dass am Ende auch wirklich keine Person beschuldigt wird.
Prozess der Gesprächsführung in der Unfallanalyse:
1. Einführung
- Kläre den Gesprächspartner über Ziel und Grund auf, warum ihr überhaupt redet.
- Der Gesprächspartner muss wissen, wie die Informationen genutzt werden (Anonymität ist auch hilfreich bei der Suche nach den Ursachen – sofern das möglich ist)
- Um dem Gegenüber Sicherheit zu geben, weißt du ihn darauf hin, dass es um seine persönliche Sichtweise geht – dadurch ist die Angst was „falsches“ zu sagen geringer
2. Gesprächsführung
- Frag zuerst nach einer Beschreibung des generellen Ablaufs des Unfalls – aus seiner Sicht
- Was hat er zu der Zeit gemacht? Dadurch bekommst du einen besseren Überblick über die Situation.
- Wie hat er/sie die Entstehung wahrgenommen?
- Stelle offene Fragen, keine Ja/Nein Fragen.
- Lege keine Aussagen in den Mund oder suche nach Bestätigung eigener Ansichten
- Wenn es klare Widersprüche gibt, sachlich ansprechen
- Wie hätte seiner Meinung nach der Unfall verhindert werden können?
3. Gesprächsabschluss
Zum Abschluss bedankst du dich bei dem Gesprächspartner und informierst ihn darüber, dass er für Nachfragen zur Verfügung stehen soll.
Um einen guten Überblick über den Hergang aus den ermittelnden Informationen zu erstellen, eignet sich vor allem die Erstellung einer tabellarischen Ablaufübersicht, einem sogenannten „Unfall-Grid“. Hier werden die involvierten Personen mit ihren Tätigkeiten an Orten und Zeitpunkten gegenübergestellt.
Kurzanleitung zu Dispo-Bausteinen:
Der nachfolgende Bild-Slider zeigt dir, wie du die Informationen rund um das Unfallgeschehen sinnvoll strukturierst, um so die wahre Unfallursache herauszufinden.
Diese Bausteine werden für alle am Unfall beteiligten Personen erstellt. Danach werden die Bausteine nach Akteuren und Zeit geordnet und dadurch entsteht ein sehr gut strukturiertes und vor allem übersichtliches Konstrukt. Du kannst die Dispo-Bausteine auf einzelnen Post-its notieren und sortieren oder du verfolgst einen ähnlichen Aufbau in einer Exceltabelle wie in dem Bild rechts. Wer es lieber visuell mag, kann sich die Vorlage für den Dispo-Baustein hier herunterladen und ausdrucken.
„Jetzt haben wir einen guten Überblick und es geht an die Ursachenforschung, da das ja das Entscheidende ist. Hier ist auch ein strukturiertes Vorgehen wichtig. Im Grunde geht es um eine Frage: WARUM? Und die kann man in vielen Zusammenhängen und Ausrichtungen formulieren.”
Hier eine kurze Anleitung zum strukturierten Vorgehen:
1. Es ist hilfreich die Unfallzeit erstmal zu markieren. Schaue dir dann spaltenweise das Vorgehen erstmal rückwärts an mit dem Unfall beginnend.
2. Definiere dann, wo die einzelnen Personen zum Unfallzeitpunkt waren. Haben sie etwas gesehen oder nur gehört? Haben sie mit ihrer Tätigkeit im Moment des Unfalls sogar zum Unfall beigetragen? Manchmal kannst du schon auf einen Blick erkennen, wer den Unfall letztendlich verursacht hat.
3. Wenn die Spalte mit der Unfallzeit noch nicht das gewünschte Ergebnis bringt, schreibe die noch offenen Fragen auf. Wer hat zum Beispiel was beobachtet? Warum ist es zum Unfall gekommen? Mit den Fragen im Hinterkopf gehst du Spalte für Spalte weiter. Wenn sich die Fragen nicht klären, musst du da nochmal durch. Es hilft manchmal auch, den Hergang mal vorwärts und auch mal rückwärts durchzuspielen.
Aufgabe 2.8
Wir haben eine fertiges Unfall-Grid im Übungsbuch abgebildet. Kannst du hier den Unfallhergang analysieren? Wer hat den Unfall verursacht und was war die Ursache?
Beachte die Wechselwirkungen
Es könnte auch eine Verkettung von Ursachen geben, die du erst später erkennst, wenn du mehrere Bausteine analysiert hast. Dann solltest du diese neuen Erkenntnisse auch auf die vorherige Karte beziehen und unter Berücksichtigung neuer Tatsachen analysieren.