Lektion 9: Ansatzpunkte für die Praxisanwendung
Mittlerweile weißt du, dass es bei dem Systemischen Anforderungs-Ressourcen-Modell vor allem um die Nutzung und Entwicklung von Ressourcen geht. Dabei sind folgende 3 Ziele wichtig:
- Anforderungen und Ressourcen in Balance halten
- Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung
- Salutogenese-Ansatz: Blick auf Erhalt, Nutzung und Aufbau von Ressourcen
Es ist ein wertvoller Ansatz für den Arbeitsschutz und ein wichtiger Ansatzpunkt zur Kompetenzentwicklung und zur gesundheitsgerechten Arbeitsgestaltung.
Diese 3 Prozessschritte musst du bei der Anwendung befolgen:
1. Externe Anforderungen erkennen
Es geht im ersten Schritt darum, die externen (psychischen und physischen) Anforderungen an die Voraussetzungen und individuellen Besonderheiten des Individuums anzupassen. Das Ziel ist hier die Verringerung von Über- oder Unterforderungen sowie von mentalen Belastungen. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Anpassung der Arbeitsergonomie, um physische Stressoren zu beseitigen. Das heißt aber, dass zuerst die vorhandenen Anforderungen und eventuelle Störungen erkannt werden müssen, bevor sie beseitigt werden können.
2. Interne Anforderungen abfragen
Bei der Anpassung von Ressourcen oder Anforderungen sollte auch im besten Fall der Mitarbeiter selbst einbezogen werden. Denn ein wichtiger Faktor sind auch die internen Anforderungen. Diese kann man nur schwer von außen erkennen.
3. Ressourcen aufbauen
Nach den Anforderungen beschäftigen wir uns mit den Ressourcen. Im ersten Schritt macht es hier Sinn, externe Ressourcen auf- bzw. auszubauen, wie z. B. die Bereitstellung gesunder Nahrung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Gesundheitsaufklärung und -training. Die internen Ressourcen lassen sich beispielsweise durch Training von Kommunikation, Selbstorganisation oder Ähnliches verbessern.
Ansatzpunkte zur Stärkung von Ressourcen
Der 3. Schritt ist sicherlich der komplizierteste, aber nicht unmöglich!
Die Befriedigung von Bedürfnissen des Menschen ist laut einiger Forscher der Schlüssel für eine erfolgreiche Gesundheitsförderung. Daher orientiert sich die Bereitstellung folgender Ressourcen sinnvoll an den schon zuvor genannten Bedürfnissen des Menschen.
Physiologische Bedürfnisse
- Ergonomische Arbeitsplätze
- Erholungspausen und Bewegungsangebote
- Gesundes Essen
Explorationsbedürfnis
- Vermeidung von Monotonie
- Gelegenheiten zu Kontakten
- Informationsaustausch
Selbstaktualisierungsbedürfnis
- Gelegenheiten zu kreativen Problemlösungen
- Übertragung von Verantwortung
- Aufgabenvielfalt
- Sinnvolle Tätigkeiten
Bedürfnis nach Orientierung, Sicherheit und Kontrolle
- Arbeitsplatzsicherheit
- Hoher Entscheidungsspielraum
- Beteiligung
- Klare Zuständigkeiten
Bedürfnis nach Achtung und Wertschätzung
- Gutes Betriebsklima
- Vertrauensvolle Zusammenarbeit
- Gute Bezahlung
- Anerkennung erbrachter Leistungen
- Aufstiegschancen
Maßnahmen definieren
Nun hast du eine Liste möglicher Ansatzpunkte, um Maßnahmen zur Ressourcenstärkung zu entwickeln. Die genauen Maßnahmen sollten aber natürlich auf deinen Betrieb und die anfallenden Anforderungen angepasst sein.
Sie merken schon – die Maßnahmen können in viele Richtungen gehen und verschiedene Bedürfnisse erfüllen.
Wichtig ist jedoch, dass die Ideen, die Sie jetzt oder in Workshops mit den Mitarbeitern sammeln, auch umgesetzt werden.
Beispiel: Stärkung der physiologischen Bedürfnisse
Wenn zum Beispiel eine Tätigkeit in deinem Betrieb starke körperliche Anforderungen stellt, könntest du als Gegenmaßnahme ein gesundes Frühstück einrichten, das einmal im Monat oder pro Quartal in dem Bereich ausgetragen wird. Je nachdem wie dein Budget aussieht, kann dies vom Arbeitgeber gesponsort werden, oder zumindest von dir oder der guten Fee des Hauses so geplant werden, dass sich jeder Mitarbeiter in eine Liste vordefinierter, gesunder Lebensmittel einträgt, und angibt was er mitbringen kann. Das gibt nicht nur einen Energy-Boost, sondern fördert langfristig auch das Betriebsklima.
So etwas wäre in deinem Betrieb nicht angebracht oder würde belächelt werden? Dann denk doch in eine andere Richtung und sorge für ergonomisch sinnvolle Erholungspausen. Können die Mitarbeiter zum Beispiel in ihren Tätigkeiten rotieren? Wer vormittags beispielsweise viel Heben musste, der könnte Nachmittags eine andere Aufgabe übernehmen, die eine andere Muskelgruppe beansprucht. Die Reorganisation der Aufgaben wäre dann eine Maßnahme.
Beispiel: Selbstaktualisierung, Achtung & Wertschätzung
In einem Betrieb herrscht hoher Leistungsdruck mit viel Kundenkontakt zu nicht immer freundlichen Kunden. Der Stresslevel ist hoch, doch die Masse an Aufgaben kann nicht reduziert werden.
Dies ist ein klassischer Fall einer Situation, in der es oft heißt “Die Belastungen können wir nun mal nicht einfach abschalten – also Durchhalten!” Diese Annahme ist jedoch falsch, denn man kann die Mitarbeiter darin trainieren, mit dem Leistungsdruck umzugehen.
Zum einen ist für jeden Arbeitnehmer wichtig, das Warum seiner Arbeit zu kennen. Welche Aufgaben übernimmt er und warum soll er XY bis Tag Z erreicht haben? Appelliere an das Selbstaktualisierungsbedürfnis in Form von Schulungen oder schaffe Anreize, die gewünschte Leistung zu erbringen (z. B. durch Prämien etc.).
Außerdem können wir den Ursachen auf den Grund gehen. Warum also sind die Kunden unfreundlich? Welche Aufgaben sind Zeitfresser und lassen sich diese outsourcen? Oder gibt es Personen, die manche Aufgaben schneller erledigen als andere? Haben diese bestimmte Prozesslösungen geschaffen die allen helfen? Oder wäre es sinnvoll Spezialisten-Rollen zu definieren, um die Fähigkeiten jeder einzelnen Person auszunutzen?
Hier können die Mitarbeiter selbst Teil der Lösung werden und in einem Brainstorming gemeinsam Maßnahmen definieren.
Maßnahmen müssen SMART definiert sein
Du merkst schon – die Maßnahmen können in viele Richtungen gehen und verschiedene Bedürfnisse erfüllen.
Wichtig ist jedoch, dass die Ideen, die du jetzt oder in Workshops mit den Mitarbeitern sammelst, auch umgesetzt werden.
Damit deine Ideen nicht von Beginn an zum Scheitern verurteilt sind, solltest du deine Maßnahmen nach dem SMART Prinzip definieren.
SMART steht für
- Specific = es soll spezifisch beschreiben, was genau erreicht werden soll
- Measurabe = es soll messbar sein, ob die Maßnahme erreicht wurde oder nicht
- Achievable = es sollte kein utopisches Ziel sein (nicht 100 % mehr Umsatz), sondern auch realistisch
- Relevant = es sollte zu dem Unternehmen und der Problemstellung passen, damit die Maßnahmen auch akzeptiert werden (keine Rückenschule um 18 Uhr anbieten, wenn eh jeder Feierabend machen möchte)
- Timed = es sollte eine klare Deadline geben, bis wann die Maßnahme umgesetzt wird
Schreibe deine gesammelten Ideen also als konkrete Maßnahmen mit verantwortlichen Personen auf. Du kannst aus einer Idee auch mehrere Zwischenschritte bilden.
Anstelle von “Wir wollen die Mitarbeiterzufriedenheit steigern”, schreibst du:
1a) In der Buchhaltung werden bis Juli 2022 10 ergonomische Schreibtische angeschafft, um die Körperhaltung der Mitarbeiter zu stärken.
1b) Verantwortlich ist Max Mustermann, der fortan jährlich 100 % der Mitarbeiter in korrekter Haltung am Bildschirmarbeitsplatz unterweist. (Kontrolliert jeweils am 30.12. eines Jahres mittels Unterschriftenliste).
Aufgabe 4.9
Definiere die Ziele und Maßnahmen!
Schau dir nun die bisherigen Aufgaben und das entstandene Gesamtbild an und überleg dir, wo du Möglichkeiten für Maßnahmen siehst. Klebe sie zuerst als Ideen auf Klebezetteln auf die passenden Arbeitsblätter – am Ende kannst du das Arbeitspapier „Auswertung“ mit den Inhalten füllen, für die du dich entscheidest. Wichtig ist: Leg dich fest.
Gerade wo besonders viel rot ist, solltest du über eine Reduzierung der Anforderungen und Belastungen denken. Schau auch nochmal auf Ressourcen, die vielleicht vorhanden sind, aber nicht genutzt werden. In dem Punkt geht es jetzt vor allem um Kreativität, denn es geht darum Wege zu finden, die negativen und positiven Einwirkungen in ein Gleichgewicht zu bringen.
Denke bei der Formulierung der Maßnahmen auch an das SMART-Prinzip!